Brennpunkt Sonderpädagogik und Integration

Eine gute Idee schlecht umgesetzt

Wann immer Lehrpersonen über Gründe für Burn-outs oder Berufsaufgabe befragt werden, dauert es nicht lange, bis sie sagen, dass die riesige Heterogenität in den Klassen eine (zu) grosse Belastung wurde. Die Integration,

Die Dorfschule, 1848, Albert Anker
Die Dorfschule von 1848, Albert Anker

beziehungsweise Inklusion steht zur Debatte. Die Sehnsucht nach der „guten, alten Schule“ im separativen System wird auch auf politischer Ebene bewirtschaftet.

Da das Thema zu vielschichtig, zu komplex und zu wichtig ist, als dass es einfach populistischen Ansichten von Parteien und verschiedenen Akteuren in den Sozialen Medien überlassen werden kann, hat der alv im vergangenen Jahr diese Thematik stärker in den Fokus seiner Arbeit gerückt. Sie war mehrfach in der Geschäftsleitung traktandiert und die Geschäftsführung brachte die Sonderpädagogik gegenüber den Behörden oder der Spitze des Verbands der aargauischen Schulleitenden zur Sprache.

Der alv macht eigene Vorschläge

Die Brisanz des Themas zeigt sich auch daran, dass sich sogar Medien meldeten, nachdem der alv über X (Twitter) mitteilte, dass eine alv-interne Kommission „Sonderpädagogik“ ins Leben gerufen worden sei. 

Die Kommission wird geleitet von alv-Geschäftsleitungsmitglied Cécile Frieden-Gassner und besteht aus Personen aus allen Bereichen des Bildungswesens. Die Thematik wurde an drei Sitzungen das ganze Jahr hindurch analysiert und Lösungsvorschläge erarbeitet.

Der alv sieht mehrere Probleme im Zusammenhang mit Heterogenität:

  • Fehlende Unterstützung infolge Fachkräftemangel, bspw. Heilpädagogik
  • Fehlanreize bei der Zuweisung von Kindern in Sonderschulen
  • Starke Zunahme von Kindern mit besonderen Bedürfnissen
  • Starke Zunahme von verhaltensauffälligen Kindern


Insbesondere die letzte Gruppe belastet Lehrpersonen, Klassen und Schulen stark. Ihre Anwesenheit in den Regelklassen wird in der öffentlichen Diskussion oft der Integration zugeschrieben. Dies ist falsch! Diese Kinder besuchen seit je die Regelklasse. Sie sind aber in den letzten Jahren zahlreicher geworden.

Hingegen sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die angepasste Lernziele haben, logopädische Unterstützung benötigen oder Unterstützung beispielsweise bei Sehschwäche oder Schwerhörigkeit brauchen, früher oft in Kleinklassen separat beschult worden.

Dass dies heute nicht mehr so ist, beurteilen die meisten Lehrpersonen als Fortschritt. Sie sind aber frustriert, weil sie aufgrund der Rahmenbedingungen diesen Kindern zu wenig gerecht werden können.

Lehrpersonenmangel auch hier ein grosses Problem

Der Fachkräftemangel macht sich auch hier dramatisch bemerkbar: Es mangelt an Heilpädagoginnen, Logopäden oder auch DAZ-Lehrpersonen. Ferner ist die Schulsozialarbeit nicht in allen Gemeinden genügend dotiert.
Glücklicherweise haben sich Klassenassistenzen im Aargauer Schuldienst etabliert. Sie können entlasten, jedoch den Unterricht nicht übernehmen.

Erschwerend kommt hingegen hinzu, dass auch in den Sonderschulen die Plätze knapp sind. Weiter bestehen teilweise finanzielle Fehlanreize, wenn es darum geht, Kinder in Sonderschulen zu platzieren.

Die Kommission „Sonderpädagogik“ hat Thesen formuliert. Darauf aufbauend lud der alv im September 2023 zu einem Hearing mit Vertretungen aus Bildung und Politik. In informellem Rahmen wurden die Thesen diskutiert und weiterentwickelt.