Der Lehrberuf braucht wieder mehr Attraktivität!

„Schönreden hilft niemandem.“ Mit diesem Titel versandte der alv zu Beginn des letzten Schuljahrs eine Medienmitteilung, in welcher klar aufgezeigt wurde, dass der Lehrpersonenmangel seit Jahren schwelt und seit Jahren von den Behörden zu wenig ernst genommen wird.

Zwar stand offiziell vor jeder Klasse eine Person, ob diese aber auch adäquat als Lehrperson ausgebildet war und ist, wusste niemand so genau. Schon im vergangenen Schuljahr war klar, dass die Situation bei den Klassenlehrpersonen angespannt, bei schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen und bei Logopädinnen und Logopäden sogar dramatisch war. Schulleitungen mussten eine Reihe kreativer Tricks anwenden, um den Schulbetrieb aufrecht zu halten. Es muss befürchtet werden, dass sich die Situation negativ auf die Qualität der Schule auswirkt. Auf die Belastung der Lehrpersonen wirkt sie sich definitiv negativ aus.

Ferner war es nicht mehr so einfach, Lehrpersonen aus Deutschland zu rekrutieren, weil Deutschland selbst einen massiven Mangel an Lehrpersonen hat. Insbesondere im Bereich der familienexternen Kinderbetreuung sind die Strukturen in Deutschland vor allem aus preislicher Sicht wesentlich besser als in der Schweiz.

Der alv wies deshalb mit Nachdruck darauf hin, dass die Behörden Massnahmen ergreifen müssen. Zwar konnte erreicht werden, dass die Löhne für aargauische Lehrpersonen ab Januar 2022 signifikant erhöht wurden, es war aber abzusehen, dass dies noch nicht reichen, sondern lediglich die Abwanderung in andere Kantone bremsen würde.

Eine erste Unterstützung konnte erreicht werden

Lehrpersonen ohne adäquate Ausbildung benötigten zusätzliche Unterstützung von erfahrenen Lehrpersonen, was eine Zusatzbelastung darstellte. Der alv verlangte darauf hin, dass Lehrpersonen, welche ein Coaching übernehmen, dafür gesondert entschädigt werden und nicht den allgemeinen Ressourcenpool der Schule belasten. Die gesonderte Entschädigung sollte aus der eingesparten Lohnsumme infolge der gesetzlichen Lohnreduktion für unausgebildete Lehrpersonen finanziert werden. Schliesslich gelang es, das BKS von dieser Lösung zu überzeugen und ungefähr ab Weihnachten konnten die Schulleitungen zusätzlich Ressourcen anfordern. Damit reduzierte sich die Belastung für die Lehrpersonen zwar nicht, aber immerhin wurden sie jetzt zusätzlich entschädigt.

Zum ohnehin akuten Lehrpersonenmangel gesellten sich ab Herbst Ausfälle und Quarantänen von Lehrpersonen. Stellvertretungen fanden die Schulen praktisch keine mehr.

Als sich gegen Frühling hin die Corona-Situation zu entspannen begann, begann der Krieg in der Ukraine. Die geflüchteten Kinder mussten eingeschult werden, was die Situation weiter belastete. Ursächlich für den Lehrpersonenmangel und die Überlastung der Lehrpersonen waren die Flüchtlingskinder aber nicht.

Der alv war in verschiedenen Arbeitsgruppen präsent

Der alv versuchte derweil auf diversen Ebenen, seine Vorschläge gegen den Lehrpersonenmangel beliebt zu machen. So war das Thema in diversen Sitzungen mit dem BKS oder auch den Aargauer Grossrätinnen und Grossräten traktandiert. Der alv nahm in zwei vom Kanton initiierten Projekten zur Linderung des Lehrpersonenmangels Einsitz. Einerseits im Projekt Magis, wo längerfristig Lösungen angestrebt werden. Thematisiert wurde etwa die Frage, wie man die Verweildauer im Beruf oder die Durchschnittspensen der Lehrpersonen erhöhen könnte. Wiederum konnte der alv seine Vorschläge, wie Unterstützung und Entlastung beim Berufseinstieg oder einen Ausbau respektive eine Vergünstigung bei der externen Kinderbetreuung, einbringen. Die alv-Expertise war auch im zweiten Projekt „Task Force Lehrpersonenmangel“ gefragt, wo kurzfristig kreative Ideen gefragt waren, um zu verhindern, dass Anfang Schuljahr Klassen ohne Lehrpersonen dastehen.

Ferner forderte der alv eine Verbesserung der Quereinstiegs-Ausbildung an der PH FHNW. Insbesondere aus finanzieller Sicht ist es für Quereinsteigende schwierig, ein PH-Studium zu absolvieren. Der alv wollte deshalb substanzielle Unterstützungen durch den Kanton. Der alv favorisierte eine Finanzierungsart analog der Polizeiausbildung. Dies wurde vom Kanton bisher aber abgelehnt. Trotzdem konnte das Studium für Quereinsteigende strukturell substanziell verbessert werden.

Attraktivität des Lehrberufs ist entscheidend

Generell ist der alv der Meinung, dass sich Massnahmen gegen den Lehrpersonenmangel daran orientieren müssen, dass der Beruf wieder an Attraktivität gewinnt. Nur so ist es möglich, dass sich junge Menschen unter den vielen interessanten Studiengängen in genügender Zahl für ein PH-Studium entscheiden. Abzulehnen sind hingegen Vorschläge, die auf eine Vereinfachung des Erreichens des Lehrdiploms abzielen. Solche Vorschläge übersehen, dass sie weder der Komplexität noch der Attraktivität des Berufs zuträglich sind. Langfristig hat man so zwar vielleicht wieder genügend Leute in den Klassenzimmern, die Qualität dürfte aber auf diese Weise kaum gehalten werden können. Die Folge wäre ein Erodieren des Images des Berufs.

Ebenfalls wenig hilfreich sind in diesem Zusammenhang politische Postulate, wie das Postulat zur politischen Gesinnung von Gymnasiallehrpersonen. Der alv hat sich diesbezüglich von Beginn an klar positioniert und betont, dass die Durchsetzung des Berufsauftrags Sache der Schulleitung sei. Eine teure Gesinnungsüberprüfung ist abzulehnen und erinnert an autoritäre Regimes. Entsprechend hämisch wurde das aargauische Vorgehen in der Öffentlichkeit diskutiert.
Es ist empörend, dass die Politik basierend auf einer Maturaarbeit einerseits Lehrpersonen unter den Generalverdacht stellt, sie würden ihren Berufsauftrag nicht professionell und sorgfältig erfüllen und (linke) Propaganda verbreiten, und andererseits in Zeiten knapper Kassen 50‘000 Franken ausgibt, um eben diese Gesinnung überprüfen zu lassen. Sollte es tatsächlich fehlerhafte Umsetzungen des Berufsauftrags geben, so ist es die Aufgabe der Schulleitungen, zu intervenieren. Die angesetzte Befragung ist somit implizit auch eine Kritik an den Gymnasialrektor*innen.
Es stellt sich vor allem auch die Frage, was das Ziel der Untersuchung ist. Diese Frage konnte bisher niemand eindeutig beantworten.

Schliesslich gehören auch Teuerungsausgleich und Systempflege, zu einem attraktiven Beruf. Der Bund rechnet mit einer Jahresteuerung von 2,5%. Diese könnte aber noch weiter steigen. Im Sommer betrug sie bereits 3,4%. Die budgetierten 1,55% des Kantons zuzüglich Systempflege wären also eine klare Reallohnsenkung.
Der alv erachtet es für die Attraktivität des Lehrberufs als zwingend notwendig, dass für die Systempflege und den Reallohn- bzw. Kaufkrafterhalt die entsprechenden Lohnerhöhungen beschlossen werden. Sie sind nicht nur ein Zeichen von Wertschätzung, sondern stützen in Form von Konsumerhalt letztlich auch die Wirtschaft.